Papst Johannes Paul II.
Das Leben nach dem Tod
Drei Ansprachen
bei Generalaudienzen im Sommer 1999
über Himmel, Hölle und Fegfeuer
Der Himmel (21. Juli 1999)
Liebe Schwestern und Brüder!
Heute möchte ich zu euch über den Begriff "Himmel" in der Bibel sprechen.
Zunächst ist damit ein Teil des Universums gemeint. Im übertragenen Sinn aber
umschreibt dieses Wort die Wohnung Gottes. Dann wird es zum umfassenderen Bild
für das Leben des Menschen in Gott.
Im Neuen Testament wird dieser Begriff weiter vertieft und in Zusammenhang mit
der Menschwerdung und der Sendung Jesu Christi gebracht. Die Menschen erfahren
das Vatersein Gottes durch die Liebe seines Sohnes, der gekreuzigt wurde und in
den Himmel aufgefahren ist. Jetzt sitzt er dort zur Rechten des Vaters.
Durch die Einbeziehung in das österliche Geheimnis, gelangen auch wir Menschen
nach unserem irdischen Dasein zur vollen Teilhabe an der Liebe des Vaters.
"Himmel" meint also eine lebendige und persönliche Beziehung zum dreifaltigen
Gott. Dieser Begriff beschreibt die Begegnung mit dem Vater, die im
auferstandenen Christus geschieht durch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Dieses ist unser aller Ziel.
Die Hölle (28. Juli 1999)
Liebe Schwestern und Brüder!
Gott ist ein unendlich guter und barmherziger Vater. Aber der Mensch in seiner
Freiheit kann seine Liebe und seine Vergebung endgültig ablehnen und sich somit
seiner Gemeinschaft für immer entziehen. Diese tragische Situation wird von der
christlichen Lehre als "Verdammnis" oder "Hölle" bezeichnet.
Die Bilder, mit denen die Heilige Schrift die Hölle darstellt, müssen richtig
interpretiert werden. Sie wollen die völlige Leere eines Lebens ohne Gott
aufzeigen. Die Hölle meint nicht so sehr einen bestimmten Ort, sondern vielmehr
die Situation dessen, der sich frei und endgültig von Gott entfernt hat.
Der Gedanke an die Hölle soll uns nicht in Angst versetzen, denn wir sind
aufgerufen, unseren Lebensweg frohgemut mit Jesus Christus zu gehen, der den
Satan und den Tod für immer besiegt hat. Dieser Glaube voller Hoffnung ist der
Kern der christlichen Verkündigung.
Das Fegefeuer (4. August 1999)
Liebe Schwestern und Brüder!
In den letzten beiden Katechesen haben wir die Alternative beleuchtet, die den
Menschen vor die Wahl stellt: entweder mit dem Herrn in Ewigkeit zu leben oder
seiner Gegenwart fern zu bleiben. Anders gesagt: Der Mensch hat die Wahl
zwischen Himmel und Hölle. Viele haben sich zwar Gott geöffnet, aber das Leben
mit Gott blieb unvollkommen.
Um die volle Seligkeit zu erlangen, bedarf der Mensch einer Art "Reinigung", die
der Glaube der Kirche mit dem Begriff "Fegfeuer" umschreibt. Diese Bezeichnung
meint keinen Ort, sondern einen Zustand. Alle, die nach dem Tod für die
Begegnung mit Gott noch "gereinigt" werden, sind schon in der Liebe Christi.
Dabei ist das Fegfeuer nicht die Verlängerung des irdischen Lebens. Der Mensch
kann sich nicht noch einmal neu entscheiden. Er kann im Fegfeuer nicht
nachholen, was er einst auf Erden versäumt hat.
Gleichzeitig bleibt ihm aber die Solidarität der Kirche nicht versagt. Die
pilgernde Kirche tritt für ihn ein durch Gebet und Werke der Liebe. So wird die
Reinigung von einem Band gehalten, das besteht zwischen denen, die noch auf
dieser Welt leben, und jenen, die schon die ewige Seligkeit genießen dürfen.
Quelle: Kathpress, 10. August 1999