P. Dr. James Mariakumar SVD
Wie Verstorbenen helfen ?
Pater James, man hört immer wieder die Frage: Können Belastungen und Sünden der Vorfahren auf Nachfahren übergehen? Was ist Ihre Meinung dazu?
P. James: Im Zusammenhang mit der inneren Heilung ist mir folgendes aufgefallen: Wenn ein Mann sehr viel Bitterkeit und Zorn in sich trägt und ein Kind zu diesem Zeitpunkt zeugt, kann das Kind die Bereitschaft, leicht zornig und bitter zu werden, erben.
Einmal brachte eine Frau ein zehnjähriges Kind zu mir. Sie sagte, dieses Kind sei immer sehr zornig und wütend auf Vater und Mutter. Ich fragte sie: „Seit wann ist das so?“ Die Mutter antwortete: „Von frühester Kindheit an.“ Dann fragte ich: „Wie war die eheliche Beziehung zu ihrem Mann, als Sie das Kind im Mutterleib empfangen haben? Und welche Einstellung hatten Sie, bevor das Kind gezeugt wurde?“ Die Frau antwortete : „Wir waren bitterste Feinde!“ In dieser Situation wurde das Kind gezeugt. Dann sagte ich zu der Frau: „Wie der Baum, so auch die Frucht.“
Es gab einen ähnlichen Fall.
Einer meiner Mitbrüder betete einmal für eine Frau, die zur Beratung gekommen war. Der Herr sagte in einem Wort zu diesem Bruder, er solle dieser Frau mitteilen, dass er für ein Mädchen mit einem gewissen Namen beten solle; denn dieses Mädchen bräuchte Gebet. Der Bruder wusste nicht einmal, wer das Mädchen war. Die Frau aber kannte das Mädchen und ihre Familie und wusste auch, dass es in dieser Familie ein Problem gab. Das Mädchen hatte sich nämlich in einen jungen Moslem verliebt. Die Frau informierte nun die Eltern dieses Mädchens, und die Familie vereinbarte mit mir einen Termin und kam mit dem 12-jährigen Mädchen zu mir. Im Gebet sagte der Herr dem Bruder, das Problem liege darin, dass der Vater des Mädchens zum Zeitpunkt seiner Zeugung Ehebruch begangen habe. Daraufhin fragte ich den Vater unter vier Augen, wie denn seine Beziehung mit seiner Frau gewesen wäre in jener Zeit, als das Mädchen gezeugt wurde. Er gab zu, dass das Wort der Erkenntnis der Wahrheit entsprach. Dann führte ich den Vater im inneren Heilungsgebet dahin, dass er den Herrn um Verzeihung bat. Er fühlte sich danach sehr erleichtert. Dann rief ich das Mädchen. Ich belehrte es zunächst, was es bedeutet, ein keusches Leben zu führen und wie die Einstellung eines Christen zur Sexualität vor der Ehe sein sollte. Dann leitete ich sie an, den Herrn um Vergebung zu bitten für ihr falsches Betragen und ihre Anhänglichkeit an den jungen Moslem. Ich sagte ihr, sie solle sich im Geist zurückversetzen in jene Zeit, als sie im Mutterleib war. Dann beteten wir um Heilung im Mutterleib. Dieses Gebet führte dazu, dass in dem Mädchen ein großes Verlangen erwachte, von dieser Beziehung mit dem muslimischen Jungen frei zu werden. Sie ging, ebenso wie die Eltern, ganz zufrieden weg.
Mir ist auch aufgefallen, dass gewisse Verhaltensweisen und Belastungen oft bereits bei den Vorfahren der 2. oder 3. Generation aufgetreten sind. Dies ist ein Anlass, den Herrn für die Sünden der Vorfahren um Verzeihung zu bitten. Wenn das geschieht, geschieht auch Heilung in der gegenwärtigen Generation. Zwänge zum Bösen können dann verschwinden.
Im Buch der Klagelieder können wir lesen : „Unsere Väter haben gesündigt; sie sind nicht mehr. Wir müssen ihre Sünden tragen.“ (Klgl 5,7). Das ist eine Wahrheit, die wir in unserem Leben ganz konkret erfahren können. Denn Gott sieht uns nicht nur als Einzelpersonen, sondern auch als Teil einer Gemeinschaft. So werden Ehemann und Ehefrau als Einheit gesehen, auch die Familie wird als eine Einheit gesehen. Und so sind auch die vorangegangenen Generationen mit uns vereint. Deshalb besteht unsere Pflicht nicht nur darin, dass wir uns um unser eigenes Seelenheil kümmern; wir müssen auch für die Vorfahren beten: für die Eltern und auch die Generationen vorher. Denn diese sind mit uns verbunden. Wenn wir den Herrn darum bitten, wird der Herr ihre Sünden und unsere Sünden vergeben. Dabei ist mir immer aufgefallen, dass man um die Verzeihung der eigenen Sünden bitten muss, bevor man beginnt für vorangegangene Generationen zu beten. Denn wenn unsere Bitten Gott erreichen sollen, müssen wir von der Sünde befreit sein. In Jesaia lesen wir: „Nein, was zwischen euch und eurem Gott steht, das sind eure Vergehen; eure Sünden verdecken sein Gesicht, so dass er euch nicht hört“ (Jes 59,2). Und im 1. Petrusbrief können wir Ähnliches lesen: „Denn die Augen des Herrn blicken auf die Gerechten, und seine Ohren hören ihr Flehen; aber das Antlitz des Herrn richtet sich gegen die Bösen.“ (1 Petr 3,12).
Im Buch Levitikus steht geschrieben: „Diejenigen von euch, die dann noch überleben, siechen dahin in den Ländern eurer Feinde wegen ihrer Sünden, auch wegen der Sünden ihrer Väter, so dass sie, gleich ihnen, dahinsiechen. Dann werden sie die Schuld eingestehen, die sie selbst und ihre Väter begangen haben durch ihren Treubruch und auch dadurch, dass sie mir feindlich begegnet sind, so dass auch ich ihnen feindlich begegnete und sie in das Land ihrer Feinde führte. Ihr unbeschnittenes Herz muss sich dann beugen, und ihre Sünden müssen sie sühnen. Dann werde ich meines Bundes mit Jakob gedenken, meines Bundes mit Isaak und meines Bundes mit Abraham, und ich werde meines Landes gedenken.“ (Lev 26,39-42).
Wir müssen also zuerst für unsere eigenen Sünden beten und dann für die Sünden der Ahnen. Wenn wir das tun, wird Gott uns vergeben, und Gott, der ewig ist, der außerhalb der Zeit steht, wird selbst in dem Zeitpunkt, in welchem ein Mensch stirbt, schon wissen, dass später jemand für diesen Menschen beten wird. Denn in der Ewigkeit ist alles Ewige Gegenwart. Und deshalb kann er unsere Gebete jetzt sehen und kann sie erhören zu dem Zeitpunkt, an dem der Vorfahre gestorben ist.
Die Lehre der Kirche sagt, dass im Augenblick des Todes der einzelne sein persönliches Gericht erfährt. Das stimmt. Aber zu diesem Augenblick weiß Gott auch um die Gebete der nachfolgenden Generationen, und er erhört sie.
Im 2. Buch der Makkabäer lesen wir: „Am nächsten Tag kamen die Leute des Judas, um die Leichen der Gefallenen zu überführen - es war inzwischen höchste Zeit geworden - und sie inmitten ihrer Angehörigen in den Familiengräbern zu bestatten. Da entdeckten sie, dass alle Toten unter ihren Kleidern Amulette der Götter von Jamnia trugen, obwohl das den Juden vom Gesetz her verboten ist. Da wurde allen klar, dass die Männer deswegen gefallen waren, und sie priesen nun alle das Wirken des Herrn, des gerechten Richters, der das Verborgene ans Licht bringt. Anschließend hielten sie einen Bittgottesdienst ab und beteten, dass die begangene Sünde wieder völlig ausgelöscht werde. Der edle Judas aber ermahnte die Leute, sich von Sünden rein zu halten; sie hätten ja mit eigenen Augen gesehen, welche Folgen das Vergehen der Gefallenen gehabt habe. Er veranstaltete eine Sammlung, an der sich alle beteiligten und schickte etwa zweitausend Silberdrachmen nach Jerusalem, damit man dort ein Sündopfer darbringe. Damit handelte er sehr schön und edel; denn er dachte an die Auferstehung. Hätte er nicht erwartet, dass die Gefallenen auferstehen werden, wäre es nämlich überflüssig und sinnlos gewesen, für die Toten zu beten. Auch hielt er sich den herrlichen Lohn vor Augen, der für die hinterlegt ist, die in Frömmigkeit sterben. Ein heiliger und frommer Gedanke! Darum ließ er die Toten entsühnen, damit sie von der Sünde befreit werden.“ (2 Makk 12,39-45).
Diese Begebenheit im Alten Testament zeigt, dass man für die Vergebung der Sünden anderer beten kann. Judas und seine Männer hatten also nicht nur um Vergebung der eigenen Sünden und um die Vergebung der Sünden der Gefallenen gebetet; sie sandten auch noch Geld nach Jerusalem, damit dort ein Sühnopfer dargebracht werde.
Die Opfer des Alten Testamentes weisen auf das wahre Opfer, auf Golgotha, voraus. Das Opfer Christi am Kreuz hatte die Macht, diesen alten Opfern eine gewisse Kraft zu geben. Das Opfer von Golgotha ist in der Feier der Heiligen Eucharistie heute Gegenwart. Und wenn wir Heilige Messen für unsere Verstorbenen feiern lassen, wäre es sicher gut, wenn wir Lebenden uns auch selber reinigen durch eigene Reue und totale Umkehr zum Glauben. Es wäre gut, wenn wir Lebenden vorher das Sakrament der Buße und in der Eucharistiefeier die Heilige Kommunion empfingen. In dieser Eucharistiefeier sollen die Lebenden den Herrn um Vergebung bitten für die Sünden der Verstorbenen, besonders, wenn sie deren Sünden kennen. Wenn man sie nicht kennt, kann man trotzdem den Herrn um Vergebung bitten. Wir können diese Sünden dem Herrn am Kreuz übergeben. Denn am Kreuz hat er ja alle unsere Sünden auf sich genommen. Dort hat er sein Blut für uns vergossen. Und so widersagen wir den Sünden der Vorfahren und unsren eigenen und bitten den Herrn, er möge unsere Vorfahren in seinem kostbaren Blut rein waschen und ihnen seinen Heiligen Geist schenken. Das ist nichts anderes als die Inanspruchnahme des Blutes Christi, das er für alle Menschen vergossen hat. Als nächste Verwandte erflehen wir das Blut Christi für die Vorfahren. Es ist recht und angemessen, dass wir dies tun.
Man kann sich dabei vorstellen, wie das Blut Jesu den geliebten Toten rein wäscht, oder wie die Seele des Verstorbenen vor Jesus steht und Jesus sie segnet. Und auch wie die Mutter Gottes dabeisteht und der Heilige Geist wie Feuer darüber brennt.
Wer so betet und einen geliebten Verstorben in die Hände Jesu und Mariens gibt, kann erfahren, dass er großen Frieden erhält. Das ist zugleich ein Hilfe für den Lebenden, loszulassen von seiner Anhänglichkeit an den geliebten Verstorbenen. In diesem Tun geschieht innere Heilung.
Im Buch Ezechiel lesen wir : „Da suchte ich unter ihnen einen Mann, der eine Mauer baut oder für das Land in die Bresche springt und mir entgegentritt, damit ich es nicht vernichten muss; aber ich fand keinen. Darum schütte ich meinen Groll über sie aus. Ich vernichte sie im Feuer meines Zorns. Ihr Verhalten lasse ich auf sie selbst zurückfallen - Spruch Gottes, des Herrn.“ (Ez 22,30-31).
Zwischen Gott und dem Sünder ist eine Bresche, eine Abgrund. Und in diese Bresche, in diesen Abgrund muss jemand treten und den Herrn um Erbarmen für den Sünder anflehen. Natürlich war das die Aufgabe Jesu. Auf Golgotha stand er zwischen dem sündigen Menschen und Gott.
Auch im ersten Johannesbrief hören wir, dass Jesus immer noch für uns einsteht: „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt.“ (1 Joh 2,1-2).
Christus fleht den Vater an für die Sünder, vor allem für jene, die bereuen. Wir können uns nun mit Christus vereinigen und den Vater für die Sünder anflehen. Denn wir sind Glieder des Leibes Christi. Je mehr wir selber mit Christus vereint sind, desto mehr wird unser Gebet zum Gebet Christi, und desto größer wird auch die Wirkung dieses Gebetes für den verstorbenen Sünder sein.
Im Buch Nehemia lesen wir : „Die, die ihrer Abstammung nach Israeliten waren, sonderten sich von allen Fremden ab; sie traten vor und bekannten ihre Sünden und die Vergehen ihrer Väter.“ (Neh 9,2).
Ich erinnere mich an eine Begebenheit in Bad Soden. Am letzten Tag des Treffens kam eine Frau und bat um das Gebet. Ich hatte das Gefühl, dass ihre Probleme mit ihren Vorfahren zusammenhingen. Ich leitete sie im Gebet für die Ahnen, und als ich betete, hatte die Frau eine Vision. Sie sah den Himmel geschmückt. Sie sah Heilige und Engel, die sich freuten. Sie sah, wie ihre Vorfahren aus dem Fegefeuer in den Himmel geführt wurden. Sie war sehr glücklich. Das war eine wunderbare Erfahrung für sie.
Als das Gebet zu Ende war, fühlte sie, dass sie von einer Krankheit geheilt war.
Am nächsten Tag waren wir nach Paris weitergereist. Diese Frau war nach Hause gefahren. Sie rief dann in Bad Soden an und berichtete, dass ihre eigene Schwester, die 300 km entfernt wohnte und von dem Gebet nichts wusste, am selben Abend eine körperliche Heilung erfahren hatte.
Das Gebet für die Verstorbenen ist nicht nur wirksam und hilft den Verstorbenen, sondern Segen kommt auch auf uns, die Lebenden.
Im Matthäusevangelium lesen wir über die Wirkung der Sünde der vorangegangenen Generation: „Darum hört: Ich sende Propheten, Weise und Schriftgelehrte zu euch; ihr aber werdet einige von ihnen töten, ja sogar kreuzigen, andere in euren Synagogen auspeitschen und von Stadt zu Stadt verfolgen. So wird all das unschuldige Blut über euch kommen, das auf Erden vergossen worden ist, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zum Blut des Zacharias, Barachias' Sohn, den ihr im Vorhof zwischen dem Tempelgebäude und dem Altar ermordet habt. Amen, das sage ich euch: Das alles wird über diese Generation kommen.“ (Mt 23,34-36).
Die bösen Auswirkungen der Sünde der Vorfahren kommen auf uns. Deshalb müssen wir für die Verstorbenen und auch für uns selber beten. Jede Generation muss sich für Christus entscheiden. Obwohl wir getauft sind auf den Glauben unserer Eltern, muss jeder einzelne aus seiner gesellschaftlich beeinflussten Haltung bzw. aus seinem modernen Heidentum herausfinden und sich erneut für Christus und sein Wort entscheiden. Wenn jemand dies wirklich tut und entsprechend lebt, wird ihn die Sünde der Vorfahren nicht berühren. Aber es ist immer seine Pflicht, für die Ahnen zu beten.
Im Buch Ezechiel lesen wir: (Angenommen, ein Mann zeugt einen Sohn...)
„Nun hat auch dieser Sohn wieder einen Sohn gezeugt, und der Sohn sieht alle die Sünden, die sein Vater begeht. Er sieht sie, begeht sie aber nicht. Er hält auf den Bergen keine Opfermahlzeiten ab. Er blickt nicht zu den Götzen des Hauses Israel auf. Er schändet nicht die Frau seines Nächsten. Er unterdrückt niemand. Er fordert kein Pfand und begeht keinen Raub. Dem Hungrigen gibt er von seinem Brot, und den Nackten bekleidet er. Er hält seine Hand vom Unrecht fern. Er nimmt keinen Zins und treibt keinen Wucher. Er befolgt meine Rechtsvorschriften und lebt nach meinen Gesetzen. Dieser Sohn wird nicht wegen der Schuld seines Vaters sterben; er wird bestimmt am Leben bleiben.“ (Ez 18, 14-17).
Papst Johannes Paul II. hat in den Enzykliken, die er zur Vorbereitung des Jubiläumsjahres 2000 geschrieben hat, Gott um Vergebung für die Verfehlungen der Christenheit gebeten. Was der Papst dort spricht, ist sehr nützlich für das Gebet für die vorangegangenen Generationen und für die Innere Heilung.
Was der Papst für die ganze Kirche gebetet hat, können wir für unsere Familien beten. Denn wir sind vereint mit den Gläubigen der vorangegangenen Generationen. Wir erben sowohl das Gute wie das Schlechte von ihnen. Wir müssen Gott dafür danken, was durch gute Menschen geschehen ist. Und genauso müssen wir um Verzeihung bitten für das Böse, was vorangegangene Generationen getan haben. Wenn wir selber ein neues Leben beginnen wollen, müssen wir selber allem widersagen, was wir an Bösem getan haben und auch in Stellvertretung für die Vorfahren allem, was sie an Bösem getan haben, widersagen, damit wir uns erneut für Christus entscheiden und ein neues Leben beginnen können. Wir müssen wieder neu geboren werden, gereinigt durch das Wort Gottes und das Blut Jesu Christi.
Im ersten Petrusbrief lesen wir: „Ihr wisst, dass ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel.“ (1 Petr 1,18-19).
Und ebenso steht im 1. Petrusbrief: (... an die Auserwählten, die) „von Gott, dem Vater, von jeher ausersehen und durch den Geist geheiligt, um Jesus Christus gehorsam zu sein und mit seinem Blut besprengt zu werden.“ (1 Petr 1,2).
Es ist sehr gut, wenn wir uns vorstellen, dass wir selber und die Vorfahren unter dem Kreuz Christi stehen und von dem heiligsten Blut des Erlösers besprengt werden. Denn was beim Erlösungswerk Christi geschehen ist, ist auf geschichtlicher Ebene ein einmaliges Geschehen. Aber es hat eine universale Auswirkung. Und deshalb kann jeder Gläubige zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort im Geiste an diesen Ort auf Golgtha zurückkehren und die Auswirkungen und Gnaden, welche durch den Kreuzestod Christi geschenkt wurden, für sich in Anspruch nehmen. Ich habe erfahren, dass diese Art von Gebet große Wirkungen zeigt.
Ich erinnere mich an eine junge Frau, die an Krebs litt und schon eine Radio- und Chemotherapie mitgemacht hatte. Sie hatte mich gebeten, in ihr Haus zu kommen und für sie zu beten. Ich sagte ihr schließlich, sie sollte sich vorstellen, dass sie auf Golgotha wäre und dass vom Kreuz herab das Blut Christi auf sie fließe und sie reinwasche. Sie stellte sich dieses Geheimnis vor und verweilte 45 Minuten lang in der Vorstellung dieses Geheimnisses. Für sie war es eine wahre und lebendige Erfahrung. Anschließend fasste sie sich mit der Hand an den Kopf, um zusehen, ob dort Blut sei. Natürlich war auf der Hand kein Blut. Aber die Frau ist heute geheilt. Sie ist jetzt verheiratet und arbeitet in einem Krankenhaus.
Ich glaube, das Blut Christi hat eine große Kraft in sich und wirkt an uns, wenn wir es auf uns herab rufen und auf die Verstorbenen, für die wir beten.
Ich möchte noch ein Beispiel anführen. Einmal predigte ich in Saarbrücken. Der Organisator der Exerzitien kam eines Abends zu mir und bat um das Gebet für sich und seine Vorfahren. Es war im November und schon früh dunkel geworden. Er saß auf einem Stuhl und ich betete über ihn. Da sah ich in der Glastüre, die sich dort spiegelte, eine Gestalt. Ich blickte auf den Mann, der vor mir saß. Er sah völlig anders aus als der Mann, der sich im Glas spiegelte. Da sagte ich zu jenem, für den ich betete: „Ich sehe da einen Mann, etwa 75 Jahre alt, mit einem hageren Gesicht, den Kopf gebeugt, mit weißen Haaren und anderen Merkmalen.“ Ich fragte ihn : „Wer ist das ?“ Da kam die Antwort: „Das ist mein Großvater!“ Nun fragte ich ihn: „Was für ein Problem hatte denn der Großvater?“ „Er hing sehr an seinem Reichtum, er gab kein Geld aus, er war sehr kleinlich.“ Ich antwortete: „Bitte jetzt den Herrn um Vergebung für die Sünde Deines Großvaters! Und anstelle des Großvaters widersage jetzt Du dieser Sünde!“
Dann beteten wir um Befreiung. Und ich fuhr fort, über diesen Mann zu beten.
Nun verschwand diese Spiegelung im Glas. Der Mann, für den ich betete, sagte, er fühle großen Frieden und großes Glück im Herzen.
Solche Erfahrungen sind keine Einzelfälle.
Diese Art von Gebet benütze ich in meinem Exerzitiendienst als ein Mittel, um eine größere innere Freiheit zu erlangen. Denn wenn wir für andere beten und dabei gleichzeitig in unserer persönlichen Heiligkeit wachsen, dann wird es uns leichter fallen, mit anderen eine liebevolle Beziehung aufzubauen. Dann wird in unserem Herzen ein Wunsch aufsteigen, für die Sünder und für die Kranken zu beten.
Ist bei einer Beerdigung das Requiem sehr wichtig für einen Verstorbenen?
P. James: Die Bibel macht deutlich, dass wir vor Gott nicht nur Einzelpersonen sind, sondern eine Gemeinschaft. Manchmal wird dem gemeinschaftlichen Aspekt eine zu große Bedeutung beigemessen und manchmal der Einzelperson. Wie immer ist der Mittelweg das Beste.
Wenn wir für andere beten, zeigen wir unsere Solidarität mit den Menschen, die im Himmel, im Fegefeuer und auf der Erde sind. Dadurch tun wir kund, dass wir Glieder des Leibes Christi sind, der aus der triumphierenden Kirche, der leidenden Kirche und der streitenden Kirche besteht.
Im Glaubensbekenntnis sagen wir: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen.“ Wenn wir für die anderen beten, leben wir diese Aussage. Denn unser Gott ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, ein Gott der Lebenden.
In den Augen der Welt sind diese Menschen gestorben. Aber für Gott ist derjenige tot, der in der Todsünde steht. Auch wenn ein Mensch seine Sünden bereut hat und ihm Gott seine Sünden vergeben hat, oder wenn er lässliche Sünden begangen hat, muss er gereinigt werden.
Bei Matthäus lesen wir: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.“ (Mt 5,8). Ich kann also Gott nur schauen, wenn ich ein reines Herz habe. Deshalb brauchen wir diese Reinigung. Aber wir wissen nicht, wie sie geschieht. Nur Gott weiß es.
Und auch in der Offenbarung hören wir : „Aber nichts Unreines wird hineinkommen, keiner, der Gräuel verübt und lügt. Nur die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen“ (Offb 21,27).
Wenn wir zum Zeitpunkt unseres Todes noch falsche Einstellungen haben, oder nach der Vergebung der Sünden noch Reste davon, müssen diese noch gereinigt werden. Deshalb gibt es eine Zeit der Reinigung.
Im ersten Korintherbrief lesen wir: „.. das Werk eines jeden wird offenbar werden; jener Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch“ (1 Kor 3, 13-15).
Alles, was nicht von Gott stammt, muss aus unserem Leben entfernt werden. Deshalb glauben wir, dass es das Fegefeuer gibt. Wir können für jene beten, die auf dem Weg in die ewige Heimat, nämlich im Fegefeuer, sind. Für sie können wir Gott um Verzeihung bitten. Und wenn wir für sie beten und für sie die Heilige Messe aufopfern, dann wird ihnen das Opfer Christi, das er ja für die Sünden der ganzen Menschheit dargebracht hat, diesen zugute kommen. Die Menschen im Fegefeuer werden in einem solchen Augenblick Erleichterung erfahren oder in den Himmel kommen.
In großer Hoffnung und voller Liebe opfern wir diese Gebet auf. Gott wird sie benutzen, wie und wann und auf welche Art, das weiß er allein. Das alles ist seiner freien Entscheidung und seiner Liebe unterstellt. Wir diktieren Gott nicht, wir zwingen ihm nichts auf, wir flehen ihn an. Er ist barmherzig und großzügig. Er wird das Beste tun. In diesem Glauben opfern wir unsere Messen für unsere Verstorbenen auf.
Wenn so Heilige Messen für Verstorbene gefeiert werden, kann man erleben, dass die Angehörigen positive Auswirkungen in ihrem Leben erfahren.
Vor etwa 10 Jahren war ich im Seminar in der Stadt Mysore / Indien. Um das Seminar führte eine Straße herum, auf der jede Woche ein oder mehrere Unfälle passierten. Im Gebet kam mir, ich sollte auf beiden Seiten dieser Straße für die Menschen beten. Ich lud die Seminaristen ein, mit mir auf jeder Straßenseite eine Heilige Messe zu feiern. In diesen Messen baten wir den Herrn um Vergebung der Sünden all derer, die hier durch einen Unfall ihr Leben verloren hatten. Stellvertretend widersagten wir ihren Sünden und brachten sie zum Kreuz Jesu. Wir flehten den Herrn um seine Barmherzigkeit an für all jene Menschen, die hier gestorben waren. In dieser Weise beteten wir auch nach der Hl. Kommunion. Zur Zeit der Wandlung sagte ich Jesus, dass wir ihm alle diese Menschen darbringen wollen. Nach diesen Messen geschahen keine Unfälle mehr auf dieser Straße.
Ähnliches kann man tun für die Menschen, die Selbstmord begangen haben.
Ich habe erlebt, dass die Feier solcher Hl. Messen große Auswirkungen auf die Familien hat.
Mit ist aufgefallen , dass es einen Geist des Selbstmordes gibt, der zuerst einen Menschen beeinflusst, und dann mit großer Wahrscheinlichkeit auch andere Familienmitglieder. Familienmitglieder kommen dann manchmal und sagen: „Ich habe das Gefühl, mich versucht jemand zum Selbstmord zu überreden.“ Manchmal sagen sie, ein Verstorbener erscheine und sage ihnen dies. Aber das ist sicher nicht der Tote, der dies sagt, sondern es ist der Geist des Selbstmords, der versucht den Menschen einzureden, sich umzubringen. Deshalb bitten wir den Herrn um Vergebung für die Sünden derjenigen, die Selbstmord begangen haben. Wir übergeben die Seelen dieser Menschen der Barmherzigkeit Gottes; wir bitten um Verzeihung für die Sünden dieser Toten und bitten den Herrn, sie in seinem kostbaren Blut rein zu waschen. Oft durfte ich erleben, dass eine große Wirkung davon ausging. Die Hl. Messe ist sehr wirkungsvoll. Aber am wirkungsvollsten ist sie, wenn wir uns selber erneuert haben. Wenn ich selber von meiner eigenen Sünde nicht lassen will und eine Messe lese für jemanden, bin ich nicht würdig, für ihn dieses Opfer darzubringen.
Wir haben gelesen, dass Kain sein Opfer darbrachte. Aber Gott hat es nicht angenommen, weil Kain in Sünde war. Abel hat sein Opfer dargebracht, und Gott nahm es an; denn er war im Zustand der Gnade. Deshalb ist es unsere Pflicht, Messen für die Verstorbenen aufzuopfern, nachdem wir uns selber von unseren Sünden gereinigt haben im Sakrament der Versöhnung und durch Umkehr und den Vorsatz, ein heilig mäßiges Leben zu führen. Um dies zu erreichen, kann ich nur empfehlen, dass man gute, tiefgehende Innere Heilungsexerzitien mitmacht. Denn je gerechter und heilig mäßiger wir sind, desto mehr sind wir wahre Kinder Gottes und desto mehr wir Gott auf unsere Gebete hören.
Im Jakobusbrief lesen wir: „Darum bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheiligt werdet. Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten. Elija war ein Mensch wie wir; er betete inständig, es solle nicht regnen, und es regnete drei Jahre und sechs Monate nicht auf der Erde. Und er betete wieder; da gab der Himmel Regen, und die Erde brachte ihre Früchte hervor“ (Jak 5,16-18).
Wir müssen die Eucharistie aufopfern, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns selber heiligen müssen, damit wir würdig dieses Opfer darbringen können.
Das bedeut nicht, dass das Opfer Christi weniger wirkungsvoll sei; denn das Opfer Christi ist immer wirkungsvoll. Aber auch meine Einstellung ist wichtig. Wenn ich in einem gereinigten Zustand bin, bin ich mehr mit Christus vereint. Und deshalb wird der Vater auf mein Gebet mehr hören. Wenn wir aber im Zustand der Sünde sind, sind wir nicht so eng mit Christus verbunden.
Denn im ersten Johannesbrief lesen wir : „Daran kann man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels erkennen: Jeder, der die Gerechtigkeit nicht tut und seinen Bruder nicht liebt, ist nicht aus Gott“ (1 Joh 3,10).
Wir können auch sagen: Wenn wir eins sind mit Christus, dann haben wir auch Anteil am Erlösungswerk Christi.
Gott sagte zu Saulus, er sollte zu Ananias gehen, damit er ihm die Hände auflege, für ihn bete und ihn heile. Und so ruft Gott auch jeden Menschen heute auf, mit ihm mitzuwirken, um den Menschen die Erlösung Christi zu bringen.
Derselbe Christus, der am Kreuz sagt: „Mich dürstet!“, hat auch heute noch diesen Durst nach Seelen. Aber seine Hände, seine Füße, seine Zunge, sein Leib sind nicht mehr unter uns.
Je mehr wir uns aber heiligen, desto mehr kann Christus unsere Hände, unsere Füße, unsere Zunge, unser ganzes Wesen benutzen, um durch uns die Erlösung in die Welt hineinzubringen.
1 Joh 3, 10 : „Daran kann man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels erkennen: Jeder, der die Gerechtigkeit nicht tut und seinen Bruder nicht liebt, ist nicht aus Gott.“
Bei Jesaia lesen wir: „Herr, du wirst uns Frieden schenken; denn auch alles, was wir bisher erreichten, hast du für uns getan.“ (Jes 26,12). Das ist der Plan Gottes.